23. Juli 2014

Kulinarisches Lima – die Fußballerkneipe mit der großen Seele, die Märkte und die Sterneküche

2 Kommentare

LimaWie aus meinen Berichten zuvor sicherlich deutlich wird, kann man sich um diese Zeit des Jahres in Lima eigentlich nur einer Sache widmen – dem Essen. Der Himmel im Winter ist grau und nicht selten schweben winzige Regentröpfchen wie in einer Waschküche durch die Luft. Kalt ist es nicht, aber am Abend ist ein Jäckchen oder ein Cape aus Alpakawolle (ebenfalls dort käuflich zu erwerben) willkommen. Kein anderes Land der Erde kann sich damit brüsten, dass der am meisten genannte Traumberuf der Jugendlichen „Koch“ ist. Essen spielt hier eine ganz besonders große Rolle und Köche sind die Rockstars auf der gesellschaftlichen Bühne. Die unterschiedlichen Klimaregionen bieten eine so unbeschreibliche Vielfalt an Gemüsen und Kräutern, dass ich sicherlich Jahre damit beschäftigt wäre, sie alle zu probieren. Ich habe 5 Tage. In diesen 5 Tagen will ich so viel wie möglich entdecken, will mich durch die verschiedenen Küchen der Stadt essen und den Pisco in all seinen Varianten schlürfen (hicks). Dem sind leider natürliche Grenzen gesetzt. Mein Magen ist nicht das Universum, welches sich unbegrenzt ausdehnen kann.

Während der ganzen 5 Tage habe ich den Kühlschrank in meiner Wohnung dort nicht ein einziges Mal geöffnet. Warum auch, bin ich doch ständig essen gegangen. Ein Hüngerchen am Morgen? Um die Ecke gibt einen entzückenden kleinen Tante-Emma Laden, der leckeren Kaffee und sensationelle Empanadas mit einer Füllung aus Hühnchen und Zwiebelchutney hat. Diese, auch in anderen südamerikanischen Ländern bekannten Teigtaschen, sind ideal für einen kleinen Snack zwischendurch. Wer das Glück hat, ausgerechnet bei einer Food-Verrückten ein Zimmer zu mieten, der muss sich keine Sorgen darüber machen, wo man essen gehen könnte. Nicht nur sie, sondern auch ihr halber Freundeskreis hat mich mit Restaurant-Tipps versorgt. Mit all diesen Tipps hätte ich vermutlich problemlos dort überwintern können.

Ich habe es Carlos, einem ihrer Freunde, zu verdanken, dass ich die wohl großartigste Fußball Kneipe ganz Limas kennenlernen durfte, das Canta Rana. Der „singende Frosch“ ist immer voll, voll, voll. Jeden Tag von 11 – 17:00 Uhr kommen hier am laufenden Band Ceviche und Tacu-Tacu aus der Küche. An den Wänden und der Decke ist fast kein freier Platz mehr, alles ist dekoriert mit Fußball-Fahnen und -Bildern aus der ganzen Welt. Ein Shirt von Diego Maradona hängt prominent neben der Eingangstür. Das Herz des Besitzers gehört der argentinischen Mannschaft. Wer wie ich das Glück hat, ein WM Spiel gegen Argentinien (es waren die Holländer, die hier rausgeflogen sind) zu sehen, der kann sich einen Besuch im Stadion sparen. Aufregender und leidenschaftlicher kann es gar nicht sein.  Wir bestellen natürlich Ceviche, Tacu-Tacu mit Langustinen und Krebse in Knoblauch. Es ist umwerfend gut. Davor ein Pisco sour, zum Essen ein kaltes Bier und die Welt umarmt dich. Die Menschen sind freundlich und immer dazu aufgelegt, zu fragen woher man kommt. Und erzählen ihre Geschichte. Da ist der Autor, der kurz vor der Veröffentlichung seines neuen Buches steht und der ältere Herr, der seine Schulter in Deutschland hat operieren lassen. Ich erfahre alles. Und selbst als ich denke, jetzt passt wirklich nichts mehr rein, stellt der Kellner noch mit einem Lächeln eine Dulce-di-Leche Creme vor mich hin. Was soll ich machen? Irgendwie geht auch das noch.

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Ceviche und Tacu-Tacu im Canta Rana

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Canta Rana Genova 101, Barranco, Lima

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Surquillo Mercado #1

Den wohl besten Überblick über die schier überwältigende Vielfalt der Früchte und Gemüse kann man sich auf dem Markt verschaffen. Zwar gibt es schwarzen und weißen Mais auch im Supermarkt, doch wer eintauchen will in ein Meer der Farben und Gerüche, der muss auf den Surquillo Mercado. Davon gibt es sogar zwei. Surquillo #1 ist rein für Gemüse, Fisch und Fleisch. Jeden Sonntag gibt es hier außerdem einen Bio-Markt und eine Streetfood-Straße. Surquillo #2 hat zwar weniger Food, dafür aber noch alle möglichen Haushaltsläden mit Krimskrams und vor allem eine der besten Cebicherias der Stadt. Auf einem Hocker neben dem Fischstand Platz nehmen und eine Ceviche und Fischsuppe essen, ist eine Erfahrung, die man sich unter gar keinen Umständen entgehen lassen sollte. Hier trifft sich alles und jeder.

Lima

die Farben Limas

Bioferia, Organic Market: jeden Sonntag vor dem Surqillo Market #1 Mercado Surquillo #1: Paseo de la Republica block 53, Surqillo, Lima Mercado Surqillo #2: Dante (Esquina con Lizardo Montero), Surquillo, Lima

Ein ganz besonderes Highlight war auch der Besuch des IK Restaurante. Noch ist es ein wenig unbekannt, es wurde  erst vor etwa einem Jahr eröffnet. IK steht für die Initialen des Gründers Ivan Kisic. Ein Shooting Star am Gourmethimmel von Peru. Das Traurige daran ist, dass Ivan die Eröffnung seines großen Traums von seinem eigenen Restaurant nicht mehr erleben konnte. Er hatte wenige Wochen vor der Eröffnung einen tödlichen Autounfall. Zusammen mit zwei weiteren Kollegen und einer Freundin. Der 36jährige wollte ein ganz besonderes Restaurant erschaffen, eines das jedem Besucher das Gefühl vermitteln sollte, in einer gigantischen Gemüsekiste zu sitzen. Sein Zwillingsbruder Franco, der in Zusammenarbeit Ferran Adrià ein Nikkei inspiriertes Restaurant in Barcelona führte, brach dort seine Zelte ab und kehrte zurück, um die Vision seines Bruder zu vollenden. Mittlerweile steht seine Cousine Monica Kisic in der Küche. Eine junge Frau mit einem strahlenden Lächeln. Die Familie hielt zusammen. Gemeinsam eröffneten sie die „Gemüsekiste“. Mittlerweile ist sie jeden Abend ausgebucht. Die Gerichte sind eine moderne Hommage an die Vielfalt der Natur Perus. Die Kräuter werden zum Großteil selbst angebaut. „Trout in its surroundings“ – die Forelle in ihrer Umgebung, so heißt eines der Gerichte. Sie schmeckte hervorragend diese Forelle. Und auch hier lebt man den Gedanken, dass ein Tier nicht nur aus Filet und Keule besteht. Dreierlei vom Cuy (Meerschweinchen) ist knusprige Schwarte mit Paté vom selbigen Tier und einem geschmorten Schlegelchen. Spektakulär ist der Nachtisch. Genauer gesagt die kleine Auswahl an Pralinen und Gebäck im Anschluss an das Menü. Ein bunter kleiner Baum wird auf den Tisch gestellt, in seinen Ästen hängen die Macarons und Pralinen und mit einem Lachen streut die Dame, die mich bedient noch buntes Konfetti darüber. Albern? Keineswegs. Dies ist eine Verneigung vor der Tradition. Diesen Baum gibt es in Peru wirklich. Überall. Und einmal im Jahr werden dort die Geschenke und Süßigkeiten versteckt. Er ist bunt geschmückt dieser Baum, erzählt Monica. Sie lebte auch eine Zeit lang in Berlin. Und hat einen eigenen Blog, der unbedingt lesenswert ist und wo sie viele Gemüse und Früchte und ihrer Heimat vorstellt. Zum Bloggen fehlt ihr jetzt allerdings die Zeit. Aber wer sich mit ihr über ihre Küche und die vielen besonderen Zutaten unterhalten möchte, für den hat sie immer Zeit.

Küchenchefin Monica Kisic und die "Gemüsekiste" des IK Restaurante

Küchenchefin Monica Kisic und die „Gemüsekiste“ des IK Restaurante

IK Restaurante – Calle Elías Aguirre # 179, Miraflores, Lima http://www.ivankisic.pe/ Monicas Blog: http://www.monitouille.com/DE/about/

Ob die Stadt auch für Vegetarier etwas zu bieten hat, will ich natürlich auch ausprobieren. Eines der Top-Restaurants auf meiner Liste ist das Malabar. Die Küche von Pedro Miguel Schiaffano and Jose Ragazzi bietet Amazonas Fusion Küche und steht auf der Pellegrino Liste der besten Restaurants Südamerikas auf Platz 7. Angesiedelt mitten im Finanzdistrikt, trifft man hier mittags hauptsächlich auf Geschäftsleute. Hier wollte ich unbedingt das vegetarische Degustationsmenü ausprobieren. Im Gegensatz zu den anderen Restaurants, die ich davor besuchte hatte, erlaubt das Malabar keinen Einblick in die Küche. Das wirkt in der Tat ein wenig antiquiert, beeindrucken doch Central, Maido und IK mit spektakulären Einblicken „hinter die Kulissen“. Auch beim Service musste ich hier gewaltige Abstriche in Kauf nehmen. In einem so hoch gelobten Restaurant erwarte ich mehr, als dass man mir einen Gang mit „Fisch, Mushrooms and Rice“ ankündigt. Ich bin nicht sehbehindert, habe mich als Foodbloggerin avisiert und will mehr darüber erfahren. Welche Pilze, woher kommen sie. Beim Dessert werde ich sogar leicht sauer, das zwar optisch wirklich ganz entzückend ist, doch geschmacklich eher auf dem Niveau, ungesüsster Holdunder mit einer Prise Nichts rangiert. Auf die Frage, was dies denn sei, meinte mein Kellner „Oxalis“. Ja, danke, fein. Und weiter? Vom Amazonas. Quatsch. Diese Oxalis hat sicherlich niemals den Amazonas gesehen. Schon eher ein Gewächshaus. Wie das mit den Kressen funktioniert, habe ich ja in Holland erfahren. Vielleicht habe ich ja einen miesen Tag erwischt. Jedenfalls klappt das mit dem Vegetarischen hier nicht ganz so gut. Dafür war der Pisco sour hier zweifelsfrei der Beste, den ich während der ganzen in Lima getrunken habe.

MalabarMenu1

Malabar

MalabarMenu2

vegetarische Highlights im Malabar

Malabar – Camino Real 110, San Isidro District 15073, Lima +51 1 440 5200 www.malabar.com.pe

weitere Tipps, die mir ans Herz gelegt wurden, die ich jedoch nicht mehr geschafft habe:

ámaZ – viel Amazonas, viel vegetarisch Avenida La Paz 1079, Miraflores 15074, Peru www.amaz.com.pe

Jose Antonio – typisch peruanische Küche, sehr traditionell Local San Isidro, Jr. Bernardo Monteagudo 200, Orrantia del Mar, San Isidro, Lima http://www.joseantonio.com.pe/

Panchita – einer der besten Plätze für Anticuchos und gehört zum Imperium des Starkochs Gastón Acurio. Av. Dos de Mayo 298, Miraflores, Lima http://www.cucharasbravas.com.pe/panchita/

Das also sind sie –  meine Tipps und Erfahrungen in Lima. Solltet ihr hinfahren, zögert nicht mir zu schreiben und davon zu berichten. Diese Stadt ist kulinarisch ein echtes El Dorado. Und beim nächsten Mal werde ich mir ganz sicher noch mehr von Peru anschauen. Diese Stadt hat mich nicht zum letzten Mal gesehen.Und wer jetzt noch ein bisschen in peruanischen Foodblogs stöbern möchte und Rezepte sucht, der findet eine Auswahl hier (in englischer Sprache):

http://www.peruthisweek.com/food-four-cooking-blogs-to-help-you-learn-the-basics-of-peruvian-cuisine-102380

 

2 Kommentare

  1. Hach, das hört sich toll an. Auch wenn ich aus sentimentalen Kindheitserinnerungen wohl auf Meerschweinchen verzichten würde. Ich habe deinen Artikel auch gleich einem Freund weitergeleitet, der demnächst beruflich nach Lima muss :)

    Antworten
    • „nach Lima MUSS…“ – lieber Steffen, ich wäre aus dem Häuschen, wenn ich das müsste… Er ist zu beneiden dein Freund.
      LG
      Claudia

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